Anzeige:

Moutoux online

Jon Fosse, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis für Literatur 2023

Was für ein Tag - für Norwegens Welt und viele, viele andere Welten. Was er geschaffen hat, liegt in 50 Sprachen vor, in rund 900 Übersetzungen und einer großen Zahl von Inszenierungen für renommierte Bühnen. Er hat nämlich nicht nur Bücher geschrieben, meist Romane sehr unterschiedlicher Art, sondern auch viele Theaterstücke, ferner Essays, Hörspiele und nicht wenig für Kinder - die Zahl der seinen beträgt fünf. Musik, selbst gespielt oder adaptiert, hat für ihn eine erhebliche Bedeutung. Jetzt macht noch mehr als vorher und nicht allein in Norwegen die Runde, wer Jon Fosse ist, der 1959 in Haugesund zur Welt kam und mit zwei Schwestern im Nest Strandebarm im Vestland aufwuchs. Schon als Zwölfjähriger schrieb er seine ersten Texte. Und nun diese Krönung: der Nobelpreis für Literatur.

Als dies am vergangenen Donnerstag, dem 5. Oktober, gegen Mittag bekannt wurde und unzählige Medien fast in der gesamten Welt die Meldung aufgriffen, war ein Kamerateam des NRK, des norwegischen Rundfunks, durchaus vorausschauend an diesem Tatort dabei: im Verlag Det Norske Samlaget in Oslo, dort also, wo viele seiner meist in Nynorsk (das verdient ein Ausrufezeichen!) verfassten Schriften verlegt wurden. An die zehn meist jüngeren Leute waren da versammelt. Ihre Überraschung, ihr Jubel, ihr Stolz fand kaum eine Grenze. NRK zeigte das am Abend in "Dagsrevyen", der Hauptnachrichtensendung. Es gab dort an die zehn Beiträge zu hören, das Thema in den 45 Minuten dieses vielgesehenen Programms. Bei uns kam das in etlichen Nachrichten natürlich auch vor. Am Tag der Bekanntgabe aus Stockholm stieg die Summe der Treffer in der deutschen Wikipedia auf 80.000, am Tag davor waren es 176.

Über ihn gibt es so viel zu erzählen; das passt in keine Nachrichtensendung. Etwa, dass er schon viele hohe Auszeichnungen erhielt, darunter - aus unserer Sicht  besonders zu erwähnen - 2016 den Willy-Brandt-Preis  und 2017 den Preis der Stadt Münster für internationale Poesie (dieser wurde ihm und wie auch seinem deutschen Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel zuerkannt). Schmidt-Henkel, der so kundig ist, dass er Werke auch aus dem Französischen und Italienischen überträgt, war bereits Gast der DNG; und zwar am 7. Mai 2012 an der Uni Bonn mit Erzählungen über seine Übersetzungstätigkeit aus dem Norwegischen mit einer Lesung aus Büchern von Jo Nesbø und Kjell Askildsen - nur zwei Beispiele für Stimmen aus dem großen Buchland Norwegen. Auch an der Seite norwegischer Autoren, für die er arbeitete, war er bei uns, so in der Parkbuchhandlung in Bad Godesberg.

Fosse selbst war auch als Übersetzer tätig, zum Beispiel bei Werken von Kafka, Rilke, Trakl und zuletzt von Peter Handke. Als eines seiner literarischen Vorbilder sieht er den bis heute oft aufgeführten Ibsen an. Er, der 1906 starb, hat den Nobelpreis nie bekommen.

In vielen Beiträgen war jetzt zu erfahren, dass Fosse der vierte norwegische Nobelpreistäger für Literatur ist. Ist das viel oder wenig? Ungesagt blieb meist, wer die anderen drei sind. Hier seien sie genannt: der oft als Nationaldichter bezeichnete Bjørnstjerne Bjørnson. Auf ihn geht der Text  der Nationalhymne Ja, vi elsker dette landet zurück. Darüber hat der unvergessene Heiko Uecker 2010 vor unserer Gesellschaft berichtet. Bjørnson, auch politisch höchst aktiv und geschätzt, bekam den 1901 erstmals vergebenen Preis als erster Skandinavier bereits 1903. Knut Hamsun (über ihn hat Heiko besonders viel geforscht) folgte 1920, Sigrid Undset 1928 - und danach die große Pause von 95 Jahren bis jetzt.

Ich mag hier nicht darauf eingehen, was Fosses extrem vielfältige und keineswegs handliche Schöpfungen angeht. Das übersteigt meine Kenntnisse, meine Einsichten, mein Urteilsvermögen. In unseren Zeitungen und ohnehin im Internet ist viel darüber zu finden. Aber freuen (und das sehr) darf ich mich schon über diese Ehrung, und das sicher mit vielen aus unserer DNG.

Eckart Roloff