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Auf den ersten Blick werden sich alle, die Norwegen kennen und mögen, darüber freuen:
Dass "ihr" Land nach dem neuesten "World Happiness Report" unter 155 Ländern auf Platz 1 kam, dicht vor Dänemark und Island, auch vor der Schweiz und Finnland. Deutschland erreichte erneut den 16. Rang.
Veranlasst wird dieser Report seit 2012 von den Vereinten Nationen. Dutzende von Forscherinnen und Forschern aus (fast) aller Welt sind daran beteiligt.

Norwegische Zeitungen schrieben darüber so:

"Norge er kåret til verdens lykkeligste land, ifølge World Happiness Report. Dermed har Norge overtatt Danmarks topplassering. Norge tok i fjor fjerde plassen, men har altså rykket helt til topps i årets rapport. Danmark har rykket ned i andreplass, deretter kommer Island og Sveits rett etter.
De fire landene scorer høyt når det gjelder faktorer som regnes som viktige for folks lykke: omsorg, frihet, sjenerøsitet, ærlighet, helse, inntekt og godt styresett."

Auf den zweiten Blick wird man vielleicht ein paar Fragen stellen: Wie ist das mit dem Glück, dem norwegischen lykke? Was versteht wer darunter? Ist das so wie beim Lotto, wenn die Glückszahlen gezogen werden und man mal endlich etwas gewinnt? Oder wenn man Glück hat, jemand unverhofft zu treffen? Oder wenn ein Fußballer einen Glückstreffer landet? Oder dass ein teures Glas zu Boden ging, aber nicht zerbrach?
 
Nein, um diese Spielarten von Glück geht es hier nicht. Das mit der Glücksforschung ist etwas ganz anderes - und sehr Zweischneidiges. Glück ist eine medienwirksame Vokabel, aber die Indikatoren, mit denen der Report arbeitet, haben mit Glück nur sehr wenig zu tun. Da dreht es sich um (hoffentlich) harte Fakten wie durchschnittliche Lebenserwartung und Bruttoinlandsprodukt, um das Fehlen von Korruption und solide Staatsfinanzen, um geringe Einkommensunterschiede und wenig Arbeitslosigkeit, um Ehrlichkeit und Großzügigkeit. Was davon hat mit Glück zu tun?
 
Auf Norwegisch gibt es einen Begriff, den man kaum ins Deutsche übersetzen kann: trygghet. Das ist ein Mix aus Sicherheit, Geborgenheit, Unbesorgtheit, Sorglosigkeit. Dies spielt in Norwegen eine im wahrsten Sinn tragende Rolle. Das geht weit über Glück hinaus, auch über Zufriedenheit. Offenbar können Norwegerinnen und Norweger mehr als andere zum Beispiel auf soziale Absicherung setzen, auf Stabilität und Gleichwertigkeit, auf Lebensqualität. Die gesellschaftliche Kluft ist nicht so groß wie in anderen Ländern. Aber auch in anderen Staaten Nordeuropas nutzt man das, was sich so scheinbar einfach Wohlfahrtsstaat nennt.
 
Das kann und soll aber nicht verdecken, dass auch Norwegen Probleme hat. Das Gesundheitswesen ist keineswegs perfekt, natürlich gibt es Kriminalität und Drogenprobleme, die Flüchtlingspolitik ist restriktiv, die Preise sind oft hoch. Das Leben in Stadt und Land (auf dem Land wird es hie und da sehr menschenleer) ist nicht immer leicht.
 
Wenn ich nicht irre, ist für den World Happiness Report kein einziger Mensch, ob aus Norwegen oder anderswo, befragt worden. Maßgebend waren nationale Daten, eine Fülle von Statistiken, Gallup-Zahlen und dergleichen. Wie man die einzelnen Werte dann gewichtet, ist übrigens eine gewichtige Frage für sich. Da könnte man auch zu anderen Ergebnissen kommen - mit anderen Siegern.
 
Aber freuen dürfen wir uns trotzdem über das neue Resultat, oder?

Eckart Roloff, Redakteur unseres Mitgliedermagazins "dialog"

Mehr zum Report hier: Worldhappiness.report